Wie bei ihr, kommt auch der zu viel Nahrung aufnehmende Mensch, dessen Ausgaben mit den aufgenommenen Nährstoffen in zu krassem Missverhältniss stehen, bisweilen überraschend schnell zur Fettsucht. Bei manchen Völkern, bei denen eine übermässige Fettanhäufung noch als Zierde des weiblichen Geschlechts gilt, wird diesem Ziel mit aller Energie durch eine wahre Mästung desselben zugestrebt. E. v. Hesse-Wartegg (Biografie unter www.historische-daten.de) erzählt von den tunesischen Jüdinnen, dass sie kaum 10 Jahre alt durch Einsperrung in dunkle enge Räume und Fütterung mit Mehlspeisen und dem Fleisch junger Hunde einer systematischen Mästung unterzogen werden , so dass sie innerhalb weniger Monate zu unförmigen Fettklumpen anschwellen. Die maurischen Frauen sollen auch innerhalb einer so kurzen Frist durch den Genuss eines Honiggetränkes und frischer Datteln die gewünschte Wohlbeleibtheit erlangen. Chambers berichtet die Beobachtung von Daneel, eine junge
Dame betreffend welche um ihre Statur zu wahren, 4 Tage in der Woche bei Champagner und glacirten Kastanien fastete. Ihre Korpulenz nahm mit furchtbarer Geschwindigkeit zu. Sie wurde bei Wiedergenuss rationellerer Diät dieselbe los. – Viele Wege führen zur Fettsucht ; alle haben aber das Gemeinsame, dass ein wohl entwickelter, von Hause aus gesunder Mensch um fett zu werden , mehr aufnehmen muss, als notwendig ist seinen Körper in dem normalen stofflichen Bestand zu erhalten oder ihn in denselben zu versetzen. Wir haben uns nunmehr wohl die Überzeugung verschafft, dass Beides, die Fettleibigkeit und die Mast doch in letzter Instanz immer seinen Grund in der Lebens- speziell in der Ernährungsweise des betreffenden Individuums hat. Es ist hier nicht der Ort die verwickelte und eben noch im Aufbau begriffene Lehre von der Ernährungsphysiologie weitläufig zu erörtern. Eine neue Arbeit von Henneberg über die Fleisch- und Fettproduktion in verschiedenem Alter und bei verschiedener Ernährung, belehrt uns, wie viele und wie schwierige offene Fragen in dieser Beziehung noch zu beantworten sind. Soviel wird man im Allgemeinen nur sagen können, dass man um die Fettleibigkeit zu vermeiden resp. zu beseitigen, gerade das Entgegengesetzte von dem tun muss, was die Mast begünstigt. Eine Vorfrage wird aber, bevor wir auf die Behandlung der Fettleibigkeit beim Menschen näher eingehen, nicht übergangen werden dürfen, das ist die: ob und in wie weit die verschiedenen Nahrungsmittel zum Ansatz von Körperfett beitragen. Es dreht sich nun zunächst darum, zu erforschen, ob es sich bei dem Fett, welches die Tiere und der Mensch selbst in ihrem Organismus ablagern , um einfach aus der aufgenommenen Nahrung angesetzes oder um selbstfabriziertes Fett handelt.
Wie man nun auch über diese Angelegenheit denken mag, Eins nehmen Alle, mit Ausnahme von Lebedeff an. dass jede Tierspezies ihr besonderes spezifisches Fettgemenge hat, welches dieselbe selbst bestimmt: ein Hammel hat immer Hammeltalg und ein Hund fabriziert nie Ochsentalg. Wenn nun Lebedeff auch gefunden hat, dass bei seinen fast verhungerten Hunden bestimmte Fettgemenge wie Leinöl und Hammeltag, welche denselben einverleibt wurden, nicht als Hundefett, sondern als dem Leinöl oder dem Hammeltag sehr nahestehende Substanzen in den Körpern dieser Tiere abgelagert wurden, so erschüttert das die mitgeteilten Tatsachen nicht. Denn abgesehen davon, dass die Mitteilungen Lebedeff’s mit den Versuchsresultaten sehr glaubwürdiger Forscher im Widerspruch stehen , würden sie bestenfalls eben nur beweisen, dass ein bis zu vollständiger Inanition verhungerter Hund sich in dieser Beziehung absolut anders verhält wie normale Tiere. Wenn nun jedenfalls so viel sicher ist, dass jede Tierspezies das ihr eigentümliche spezifische Fettgemenge wenigstens zusammensetzt, dann entsteht die weitere Frage: setzt sie dasselbe aus dem aufgenommenen Nahrungsfett zusammen oder fabriziert sie dasselbe selbst aus den aufgenommenen Kohlenhydraten oder aus den aufgenommenen Eiweisskörpern. Dass nun jedenfalls nicht alles Fett aus dem aufgenommenen Nahrungsfett zusammengesetzt wird, das ergibt sich wohl ohne weitere Discussion daraus, dass Masttiere und milchende Kühe anerkanntermassen mehr Fett absetzen, resp. mit ihrer Milch liefern, als sie Fett aufnehmen. Sie müssen also wenigstens dieses Plus von Fett aus den übrigen Nahrungsstoffen, die sie verzehren ; den Eiweissstoffen oder den Kohlenhydraten oder aus beiden, fabrizieren. Ob von den Fetten, die wir mit der Nahrung aufnehmen in unserem Körper, sofern er gesund und unter normalen Lebensverhältnissen sich befindet, etwas angesetzt wird, erscheint mir noch nicht ausgemacht. Die Versuche, die das beweisen sollen, betrafen, so weit ich die Sache übersehe, lediglich hungernde und abgemagerte Tiere, die, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch vorwiegend mit Fett ernährt worden waren. Voit sagt: bei den Fleischfressern, welche ausser dem Fett keine stickstofffreien Nahrungsstoffe geniessen, ist die Fettbildung meist unbedeutend. Dass dieser für uns geradezu grundlegende Ausspruch vollkommen mit den Tatsachen übereinstimmt, lehrt in nicht misszuverstehender Weise tägliche Erfahrung bei unserem treuesten Haustiere, dem Hunde:
Der Fleischerhund mästet sich bei vollkommen ausreichendem Futter, bestehend aus Fleisch und Fett und spärlichen Kohlenhydraten, bei genügender Körperbewegung nicht. Den Schosshund dagegen, der neben dem Fleisch mit Leckereien und Süssigkeiten, also mit Kohlenhydraten gefüttert wird, sehen wir schnell feist und fett werden, wobei ja freilich auch die behagliche Ruhe, in welcher letzterer sein Leben verbringt, eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.