Weit grössere Schwierigkeiten macht die Prognose der Fettsucht im konkreten Falle. Wir wissen, dass der Volksmund auch heute noch, wie dies bereits Hippocrates tat, den Fettleibigen kein langes Leben zubilligt. Es drohen ihnen in der Tat Gefahren von vielen Seiten. Ein massiges, in den Grenzen der Norm sich bewegendes Fettdepot ist freilich ein gutes Sparmittel, womit der Organismus in Zeiten der Not wirtschaften, und das Organeiweiss vor zu schnellem Verbrauch für eine gewisse Frist schützen kann; ein zu reichliches Fettlager gefährdet aber, je mehr es zunimmt, die Existenz des Individuums aus Gründen, welche ich Ihnen bereits klargelegt habe. Der Fettleibige wird widerstandsloser gegen die ihn umgebenden Schädlichkeiten, und wenn er einer akuten infektiösen Krankheit verfällt, übersteht er sie schwerer, als ein gut genährter und mit normalem Fettpolster Ausgerüsteter. Für die Prognose (Genetische Faktoren bei Fettleibigkeit unter www.nutrigenomik.de) im konkreten Falle ist von wesentlichster Bedeutung, wie schnell die Fettsucht zunimmt, ob frühzeitig sich Anämie hinzugesellt, ob die inneren lebenswichtigen Organe, besonders das Herz, leistungsfähig sind. In je Jüngern Jahren die Fettleibigkeit hohe Grade erreicht, um so weniger ist Aussicht vorhanden, dass das Leben dabei lange Zeit erhalten wird; denn gewöhnlich schreitet die Krankheit unaufhaltsam weiter, nachdem sie einmal eingesetzt hat. Dass aber die Krankheit in dieser perniciösen Weise fortschreitet, das liegt nicht zum kleinste Teile in einer wohl begreiflichen und verzeihlichen, aber deshalb nicht minder beklagenswerten menschlichen Schwäche, welche die Kraft nicht hat, die Entsagungen zu tragen, welche ihnen ihre Konstitution auferlegt. Diese menschliche Schwäche, welche nur erträgt, was ihr passt und ihr bequem ist, wird bewirken, dass es Fettleibigkeit und Fettsucht geben wird, so lange es Menschen gibt. Diese Energielosigkeit auf sogenannte Reize des Lebens zu verzichten ist ceteris paribus ein schwerwiegendes Moment für die Prognose.
Wo man ihr begegnet, wo der Mahnruf Shakespeares:
„Den Körper mind’re, mehre Deinen Werth;
Lass‘ ab vom Schlemmen, wisse dass das Grab
Dir dreimal weiter gähnt, als andern Menschen!'“ (Heinrich IV.)
ungehört verhallt, – da darf man die Prognose um ein gut Teil schlechter stellen.