Was nun der Einfluss des Geschlechtslebens der Frauen auf das Zustandekommen der Fettleibigkeit anlangt, so wird gewöhnlich angeführt, dass Störungen der Menstruation von grossem Einfluss auf die Vermehrung des Fettansatzes sind. Bei nicht menstruierten Frauen hat man denselben reichlich werden sehen, und auch zur Zeit der Involutionsperiode beobachtet man öfter, dass Frauen fetter werden. Krieger teilt eine diesbezügliche Statistik von Tilt mit. Derselbe fand bei der Untersuchung von 282 Frauen, bei denen die Menstruation seit 5 Jahren gänzlich aufgehört hatte, das 121 unter ihnen stärker geworden waren, dass dagegen 71 ihren früheren Umfang beibehalten hatten und das90 magerer geworden waren.
Krieger will sogar einen wohltätigen Einfluss dieses zunehmenden Embonpoints während der Zeit der Wechseljahre auf die Frauen beobachtet haben, indem sie von nervösen Beschwerden , welche die Cessatio mensium so häufig begleiten, freibleiben, event. dieselben früher los werden sollen. Krieger legt sich die Sache so zurecht, dass durch die Verwendung des überschüssigen Blutes zur Fettbildung alle seither vorhandenen partiellen Congestionen, profuse Absonderungen und nervöse Störungen ihre Erledigung finden. Andere Frauen beginnen nach rasch aufeinander folgenden Schwangerschaften, besonders wenn sie nicht stillen, wohlbeleibt zu werden. Aber auch bei Frauen, welche in Folge von Uterus.- oder Ovarialleiden unfruchtbar sind, beobachtet man ein Gleiches und Benke glaubt, dass dabei eine besondere Tätigkeit der Leber, wenn auch nicht in ausschlaggebender Weise zu beschuldigen sei.
Ich bin nach meinen Erfahrungen geneigt, die in solchen die in solchen Fällen häufig vorhandene Anämie als ein wesentlich prädisponirendes Moment für die Entstehung der Fettleibigkeit anzusehen. Man hat den Einfluss derselben vielleicht etwas unterschätzt. Jeder einzelne Fall will dabei auf seine individuelle Entwickelung angesehen werden, wenn man nicht grobe Missgriffe in der Praxis machen will. Meiner Ansicht nach sind die bei allen diesen Zuständen mitspielenden und in Betracht zu ziehenden Faktoren zu komplexer Natur, als dass dabei allein mit grossen Zahlenreihen und statistischen Erhebungen unserer Erkenntnis geholfen wäre. Das Beispiel von der Kastration der Tiere berechtigt uns nicht zu derartigen Schlüsse, dass der Ausfall der Tätigkeit der Eierstöcke allein die Fettleibigkeit bewirke. Denn die Viehzüchter benützen daneben noch eine geeignete forcierte Fütterung und die Einzwängung in enge Räume, um fettleibige Tiere zu erzielen. Hegar gibt als Folge der Kastration junger Schweine allerdings eine Tendenz zum Fettansatz an, bei der Kastration erwachsener Tiere (Kühe) bezeichnet er die grössere Neigung zum Fettansatz als problematisch. Wenn er nun auch bei doppelseitiger Exstirpation der menschlichen Eierstöcke nicht ganz selten eine Tendenz zu stärkerem Fettansatz fand, so genügt das gewiss nicht, um einen direkten Einfluss der Ovarien auf die Entwicklung der Fettleibigkeit anzunehmen.
Abgesehen von diesen individuellen Dispositionen hat man manche andere Dinge zur Erklärung des Zustandekommens der Fettsucht herangezogen, so ein feuchtes und kaltes Klima. Da aber alle diese Momente nicht zur Erklärung in allen Fällen ausreichen, so nimmt man seit lange eine konstitutionelle Anlage zur Fettleibigkeit zur Hilfe. Diese Annahme einer besonderen angeborenen Disposition zur Fettleibigkeit findet in Erfahrungen des täglichen Lebens ihre Bestätigung. Es ist unbestritten, dass in einer grossen Reihe von Fällen die Eltern, ja die Grosseltern der Fettsüchtigen ebenfalls fett gewesen sind. Bouchard konnte die Erblichkeit unter 86 Fällen in 31 Fällen, also in 33%, und Chambers sogar in 56%, nämlich in 38 Fällen 22 mal, nachweisen. Ausserdem wissen wir aus den schönen Untersuchungen von Roloff, dass es gewisse Rassen von Schweinen gibt, welche sich besonders zur Mast eignen. Diese Rasseneigentümlichkeit ist das Resultat eines besonderen Züchtungsverfahrens, welches nicht nur in der passenden Auswahl der Zuchttiere, sondern auch in einer entsprechenden Haltung und Fütterung, nämlich in der fortdauernden Gewährung von Ruhe und mastigem Futter besteht. Bei den betreffenden Tieren (Schweinen, bis zu einem gewissen Grade auch bei den Pferden) hat dieses Verfahren, wofern es durch viele Generationen hindurch fortgesetzt wird, einen unerwünschten Erfolg, indem die Tendenz zur Fettbildung im Organismus so stark wird , dass nicht nur in dem vorhandenen Fettgewebe, sondern auch in den Muskeln und in den Zellen der drüsigen Organe sich Fett im Übermasse ansammelt und deren Funktion schwächt.