Beim neugeborenen Menschen kommt ja gelegentlich auch ein dieser Fettdegeneration der Tiere analoger Zustand vor, »die akute Fettdegeneration der Neugeborenen,« von welcher indess nicht bekannt ist, dass sie sich auf Grund solcher ererbten Zustände entwickelt. Dass aber eine Vererbung der Anlage zur Fettleibigkeit beim Menschen, und zwar recht häufig vorkommt, erscheint auf Grund der eben mitgeteilten Tatsachen ausser Zweifel gestellt. Man hat diese Disposition zur Fettleibigkeit nicht nur auf einzelne Individuen und Familien, sondern auch auf ganze Stämme und Völker ausgedehnt. Den Hottentotten und Südseeinsulanern wird eine grosse Neigung zum Fettansätze zugeschrieben.
In welchem Lebensalter sich nun diese angeborene Anlage bemerkbar macht, darüber gehen auch die Ansichten auseinander. Viele nehmen an, dass dieselbe am gewöhnlichsten schon im frühesten Kindesalter sich weiter entwickele, um bald zurückzutreten und erst in einer späteren Epoche des Lebens wiederzukehren, und zwar bei den Einen nach der Pubertätsentwickelung, bei den Anderen auf der Blütejahre, bei den Meisten indessen doch erst im vorgerückten Mannesalter. Auch soll diese Disposition bei Weibern im Allgemeinen häufiger sein als bei Männern. Die Fälle von sogenannter angeborenen Fettsucht sind jedenfalls spärlich gesät. Unter den aus der älteren Literatur überkommenen Beobachtungen finden sich eine ganze Reihe zweifelhafter Fälle. Förster berichtet einen ungewöhnlichen Fettreichtum bei Kindern, welche sonst wohlgebildet, im Mutterleibe ein abnorm grosses Wachstum erreicht hatten. Dieselben brauchen übrigens später durchaus nicht das mittlere Mass zu übersteigen. Von Beobachtungen neueren Datums erwähne ich nur die folgenden, durch besondere Hochgradigkeit ausgezeichneten.
Wulf (Eutin) beschreibt ein neugeborenes, während der Geburt abgestorbenes Kind , welches bei einer Körperlänge von 62,5 cm 8250 Gramm schwer war; der Knabe war wohl proportioniert und machte den Eindruck als ob er 1|4 Jahr alt wäre. Derselbe zeigt eine ausserordentliche Entwicklung des Fettpolsters und der Muskeln. Die Eltern des Kindes waren von nicht übermässig kräftiger Körperbeschaffenheit. Die Mutter gab an, dass ihre früheren 3 Kinder eben so gross bei der Geburt gewesen seien. Das Gewicht derselben war nicht kontrolliert worden. Leider fehlen Angaben darüber, was aus diesen Kindern geworden ist, und wie sie sich weiter entwickelt haben. Zunächst dieser Betrachtung von Wulf steht die von Wright. Das betreffende Kind wog 6123 grm. Wulf, der selbst statistische Erhebungen über diesen Punkt anstellte , teilt mit , dass das ihm bekannt gewordene höchste Körpergewicht bei Neugeborenen nur 5500 Gramm (Beobachtung von Hecker) betrug. Müssen solche Fälle von angeborener Korpulenz als überaus grosse Seltenheiten , ja als Curiosa bezeichnet werden , welche für die uns hier interessierende Frage kaum von irgend welcher Bedeutung sind, so mag hier noch kurz erwähnt werden, dass es auch Fälle von Fettlebigkeit gibt, welche in den frühesten Lebensperioden erworben wurden.
Es ist sicher erwiesen, dass in einzelnen Fällen enorme Grade von Fettleibigkeit vorkommen, welche zum Teil kurze Zeit nach der Geburt sich zu entwickeln anfangen, um im frühen Lebensalter eine monströse Höhe zu erreichen. Diese Fälle gehören meist dem weiblichen Geschlecht an, und es lässt sich keineswegs bei allen eine erbliche Anlage nachweisen. Meckel hat übrigens betreffs dieser Fettsucht bei Kindern darauf aufmerksam gemacht, dass sie den Charakter krankhafter und vorschneller Entwickelung an sich tragen. Diese seltenen Fälle gehören in ätiologischer Beziehung offenbar nicht in eine Kategorie. Während auch Chambers die bei der Geburt beginnenden und während des Kindesalters zunehmenden Fälle von Fettsucht als eine Art Missbildung bezeichnet, wobei die Patienten gewöhnlich an einer anderen körperlichen Missbildung oder einem Mangel der Intelligenz leiden, und wobei jede Kur hoffnungslos sei, erzählt Grisolies eine Beobachtung, bei der ein Kind, welches im Alter von 12 – 15 Monaten so fett war, dass ihm fortwährend Erstickungsgefahr drohte, im Alter von 2 1/2 Jahren die Fettleibigkeit vollkommen verlor. Dasselbe fiel sogar später durch seine schlanke hochaufgeschossene Figur etwas auf. Im Allgemeinen lässt sich aber für die weitaus grösste Zahl von Fällen soviel nur sagen, dass die Fettleibigkeit, wie ich Ihnen bereits auseinandergesetzt, sich später zu entwickeln anfängt, und dass sie auf einer absolut oder relativ d. h. im Verhältnis zum Stoffverbrauch zu reichlichen Nahrungsaufnahme beruht. Eine angeborene Disposition und verschiedene Gelegenheitsursachen können dieses ätiologische Moment mehr oder weniger wirksam unterstützen, aber bei der erdrückenden Mehrzahl der Fälle, und nur auf diese beziehen sich die von mir nachher anzuführenden therapeutischen Massnahmen – ist die Fettsucht des Menschen nichts weiter als das Analogen der Mast bei Tieren.